Around the Bend

In der Recherche zu meiner Diplomarbeit stieß ich auf die Technologie des „selbstformenden Holzes“, die an der Universität Stuttgart untersucht und entwickelt wird. Der Ansatz ist der Natur entlehnt – wie das Sich-Öffnen der Tannenzapfen bei warmem Wetter – und arbeitet mit den Materialeigenschaften von Holz während der Trocknung. Der eigens zu diesem Zweck hergestellte doppelschichtige Werkstoff verformt sich quasi natürlich. Dieser materialtechnologischen Neuheit bin ich in meiner Arbeit aus der Perspektive des Produktdesigns nachgegangen.

Nach vielen Experimenten, die dazu dienten, das Material verstehen zu lernen und es bewusst manipulieren zu können, ist daraus ein Lounger entstanden, der die Technologie und ihre Möglichkeiten weiter kommunizieren soll.

Selbstformendes Holz kombiniert mit einem Stahlgestell ergeben nach dem Trocknungsprozess einen beschlaglosen Formschluss. Dazu wird das Holz in geradem Zustand in das Gestell eingelegt. Bei der anschließenden Trocknung bei Raumtemperatur verbiegt sich das Holz und nimmt seine endgültige Form an.

Nevo

Die Hitzewelle im Jahr 2018 hat in Deutschland mehr als doppelt so viele Todesopfer gefordert wie Verkehrsunfälle. „Nevo“ ist eine Infrastruktur-Schnittstelle, die Wasser zur Verfügung stellt, damit Menschen bei Hitzewellen mit Trinkwasser versorgt werden und sich erfrischen können. Nevo wird über einen Hydranten an das lokale Wasserversorgungsnetz angeschlossen, wodurch flexibel alle 150m Meter Erfischungsangebote im Stadtraum geschaffen werden können. Die Energieversorgung ist dank Solarfolie autark. 

Tritt feiner Wassernebel auf die erhitzte Haut, entsteht Verdunstungskühlung. Dies bewirkt, dass der Kühleffekt auf der Haut anhält und die Menschen bei unzumutbaren Temperaturen abgekühlt werden. Ab Temperaturen von 30 Grad Celsius senkt Nevo die Umgebungstemperatur mit automatischen Sprühstößen im Drei-Minuten-Takt. Das Restwasser wird gesammelt und zur Bewässerung des umliegenden Stadtgrüns abgeführt. Dank Sprühnebelduschen können wir in überhitzten Städten weiterhin unbeschwert leben.

Primal A.I.

„Primal A.I.“ beleuchtet die derzeitige Entstehung von Künstlicher Intelligenz. Hinter dem etwas mystisch klingenden Begriff „Künstliche Intelligenz“ verbirgt sich eine Maschine, die weder künstlich, noch intelligent ist. Der Entwicklungsprozess von K.I. beginnt mit Sedimentgestein, das teils händisch aus der Erde extrahiert wird, bevor es durch chemische und physikalische Prozesse zu Technologiemetallen weiterverarbeitet wird. Der weitere Weg ihrer Entwicklung wird von vielen Aspekten der Ausbeutung und Extraktion begleitet. Sollte K.I. daher nicht als Ergebnis extraktiver und ausbeuterischer menschlicher Praktiken beleuchtet werden?

Die Arbeit nutzt K.I., um ihren Ursprung kritisch zu inszenieren. Drei Handwerkzeuge betonen die Extraktion von Rohstoffen und die damit verbundene manuelle Arbeit. Durch die experimentelle Arbeit mit verschiedenen Machine-Learning-Modellen, wird ein neuartiger Prozess erprobt, der die Kollaboration zwischen Mensch und K.I. in der physischen Gestaltung unterstützt.

digitile in detail

Die Trennung von traditionellem Handwerk und industrieller Produktion wird durch den Einsatz digitaler Technologien zunehmend aufgebrochen, da auch viele Handwerksbetriebe solche Technologien nutzen, um ihre Produktionsprozesse zu erweitern. 

In der Arbeit „digitile in detail“ wird untersucht, welche neuen gestalterischen Möglichkeiten sich aus der Verbindung von Handwerk und Industrie ergeben, indem digitale Fertigungsprozesse als integraler Bestandteil des handwerklichen Arbeitsprozesses betrachtet werden. 

Konkret wird die Herstellung von Fliesen und die Anwendung eines CNC-Lasers zur Gravur detaillierter Muster in keramisches Material untersucht. Durch die Variation der Fliesen und unterschiedliche Einstellungen der Parameter des CNC-Lasers werden verschiedene Herangehensweisen und Methoden aufgezeigt. Daraus hervorgegangen sind drei Fliesenbilder, die sich jeweils der Anwendung einer Methode verdanken und in einem Gesamtkontext präsentiert werden.

PFDMLEO

Die Zunahme von Weltraumschrott, besonders im niedrigen Erdorbit, stellt ein ernstzunehmendes Risiko für die Raumfahrt dar. Bei einer Kollision von Satelliten droht die Gefahr einer kaskadierenden Ausbreitung von Fragmenten: das Kessler-Syndrom. 

In der Thesis wurde die zeitnahe Eingrenzung von Trümmern nach einer Satellitenkollision untersucht. Zu diesem Zweck wurde ein modularer Satelliten-Cluster konzipiert, der mit hochentwickelten Whipple-Schilden ausgestattet ist. Diese speziellen Schilde werden bereits in der Raumfahrt verwendet, um Raumstationen vor kleineren Einschlägen zu schützen. Der Satelliten-Cluster wird durch die Konjunktion mit den Fragmenten partiell perforiert, sodass die Trümmer zwischen den multiplen Schichten des Schildes eingefangen und aus dem Orbit entfernt werden. 

Meine Arbeit setzt sich nicht nur konzeptionell mit Weltraumschrott auseinander, sondern dient auch dazu, theoretischer Forschung im Bereich der Raumfahrt visuelle Präsenz zu verleihen.

PortalMaus

Seit einigen Jahren wächst das Interesse an Anwendungen mit räumlichen Nutzeroberflächen. Als Antwort darauf entwickelt sich zum einen ein neues selbstständiges System, mit der Folge, dass die Branche der Virtuellen Realität (VR) herkömmliche Computerperipherie zunehmend ersetzt. Zum anderen versuchen Softwareentwickler die zweidimensionale Restriktion der Computermaus zu lösen, indem Tastaturkombinationen implementiert werden, was die Bedienung aber selten intuitiv macht. 

Meine Arbeit entwickelt die „PortalMaus“ mit einem neuartigen Interaktionskonzept, das sich in bestehende Arbeitsabläufe integriert, intuitivere und effizientere Navigation durch dreidimensionale Räume ermöglicht, aber auch viele 2D-Interaktionen verbessert. Die Maus soll vielen Nutzer*innen einen leichteren Einstieg in 3D-Software bieten. Die erfolgreiche Implementierung der PortalMaus ermöglicht es Softwareentwicklern, Computerprogramme entlang von VR-Systemen und anderen Technologien in die dritte Dimension weiterzuentwickeln.

Ceramic Touch

Es ist noch immer nicht gelungen, die digitale Zukunft in unser aller Zuhause zu bringen, ohne ebenjene Eigenschaften zu zerstören, die ein Zuhause definieren. Wenn Zuhause nach wie vor für Behaglichkeit und ein Gefühl von Sicherheit stehen soll, müssen sich die in diesem Raum eingesetzten Technologien materiell wandeln. 

Das Projekt „Ceramic Touch“ erforscht den Zwiespalt zwischen Behaglichkeit und Technologie und entwickelt ein Gegenmodell zur geläufigen Formensprache technischer Produkte. Entgegen der üblichen Sterilität von schwarzem Glas und Metall, wird der in Porzellan gefertigte, facettierte Monolith durch seine beinahe skulpturale Qualität zum natürlichen Bestandteil individueller Einrichtung. 

Eingelassen in dessen weiße Oberfläche befindet sich eine flache Mulde. Wird diese berührt, lässt sich jegliche digitale Interaktion im häuslichen Kontext unauffällig steuern – etwa die Beleuchtung oder bestimmte Medien.

BLoOm

Funktionale und technische Anforderungen werden in der Stadtplanung strukturell über die Bedürfnisse von Bäumen gestellt. Während Waldbäume über ihre Wurzeln und Mykorrhiza-Pilze kommunizieren (auch Wood Wide Web genannt) und in einem sozialen Gefüge auf höchst intelligente Art und Weise für das gemeinschaftliche (Über-)Leben kooperieren, leben Stadtbäume oft einsam und isoliert voneinander in der von Menschen geschaffenen urbanen Landschaft, wodurch ihre Kommunikation und Hilferufe in Stresssituationen ungehört bleiben.

„BLoOm“ ist ein künstlicher Fruchtkörper, der als neuer Akteur im urbanen Ökosystem Stadtbäume in ein Netzwerk integriert und ihre Stresskommunikation für Menschen übersetzt. Über ein IoT-Netzwerk wird die Saugkraft der Baumwurzeln von einem Sensor gemessen und an den Fruchtkörper gesendet. BLoOm wandelt die Informationen in ein pulsierendes Licht um: Von langsamen Pulsen in gutem Zustand bis zu hektischen, roten Pulsen in Stresssituationen.

Poscura

Das Pflegepersonal wird in ihrem Beruf körperlich stark belastet. Besonders Pflegekräfte aus der stationären Altenpflege zeigen häufig Beschwerden innerhalb des Muskel- und Skelettsystems, hervorgerufen durch Überbelastungen des Rumpfes. Meine Arbeit hatte es daher zum Ziel, eine Lösung zu finden, um die körperliche Belastung von Altenpfleger*innen im Arbeitsalltag senken zu können. 

„Poscura“ (engl.: posture „Körperhaltung“ und lat.: cura „Pflege/ Fürsorge“) ist eine intelligente Dienstkleidung für das Pflegepersonal in der Altenpflege. Inspiriert von den neusten Exoskelett-Technologien und Entwicklungen im Bereich Funktionsbekleidung, unterstützt Poscura bei rückenbelastenden Tätigkeiten. Möglich wird das durch ein in der Kleidung integriertes teil-elastisches System. Das Konzept versucht nicht, bestehende Hilfsmittel und Arbeitsweisen in der Pflege zu ersetzen. Ganz im Gegenteil. Das ganzheitliche Konzept stellt eine logische Ergänzung zum Pflegealltag dar und lässt es sich besonders leicht in diesen integrieren.

Haut und Knochen

Keramiken werden seit tausenden von Jahren hergestellt. Dabei denkt man stets an zwei ikonische Elemente, die zusammenkommen: der Körper der Keramik und die Glasur. Nach dem Glasieren haftet die Glasur gleichmäßig auf der Oberfläche des Werkstücks; nach dem Brennen hat sich diese Beziehung zwischen Innen und Außen für immer verfestigt.

Besteht die Möglichkeit, dass die beiden Teile im Ofen miteinander interagieren und das zu unerwarteten Ergebnissen führt? Hat das Material das Potenzial, sich selbst zu formen?

Das Projekt bestand aus einer Reihe von Experimenten. Verschiedene physische und chemische Zusammensetzung sowie digitale Technologie erprobt, um die vorhandene Dualität innerhalb der Keramik zu erforschen und zu hinterfragen.