Dialogische Strukturen

Torben Körschkes, Ina Römling

Juli / July - 2018

Hochschule für bildende Künste Hamburg

Kurzbeschreibung

Die “dialogischen Strukturen” können als Setting beschrieben werden, durch das auf räumlicher Ebene politische Hierarchien hinterfragt und Aushandlungen in kleineren Gruppen ermöglicht werden. Sie sind nomadisch und kommen an unterschiedlichen Orten zum Einsatz.
Teil der “dialogischen Strukturen” sind sowohl die physischen Elemente als auch die zwischenmenschlichen Strategien der Aushandlungen.

Was ist das Thema?

Die aktuelle politische Lage in Europa (und weltweit) bietet Anlass, über Form und Formen politischer Verhandlungen und gesellschaftlicher Organisation nachzudenken. Wie sehen die Parlamente und politischen Arenen heute aus? Und: wie könnten sie in Zukunft aussehen? Die “dialogischen Strukturen” schaffen einen Rahmen, um gemeinsam über solche Dinge nachzudenken. Die Gestaltung greift dabei bereits thematische Erkenntnisse auf und überträgt diese auf den physischen Raum. Das Thema beinhaltet auch: Wie kommen wir zu einer Verhandlung zusammen? Wie kann eine Verhandlung strukturiert sein, um (klassische) Hierarchien zu vermeiden oder umzukehren? Wie können die Betroffenen selbst über Dinge die sie betreffen verhandeln?

Warum sieht es so aus?

Inspiriert von der Straßenmöblierung des öffentlichen Raums, in dem Grassrootbewegungen ihre Anfänge nehmen (Occupy, Arabischer Frühling, Munizipalismus in Spanien), sind die Strukturen nach Grundsätzen gestaltet, die ein hierarchiearmes Zusammenkommen begünstigen. So ist der Kreis die inklusivste Form für kleinere Gruppen. Im Gegensatz zum einzelnen Sitz ist die Bank ein verbindendes Element. Das Teilen des Materials bestärkt potenziell auch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Zudem bewirkt die ungepolsterte Bank, dass die Teilnehmenden ihren Sitz ständig korrigieren müssen. Während der gemütliche Sessel zu egomanischer Sturheit verleitet, provoziert die ungemütliche Bank die Bereitschaft mitzudenken. Der pinke Vorhang führt in einen speziellen und intimen Raum.

Was ist das Besondere?

Die “dialogischen Strukturen” sind räumliche Skizzen und insofern spekulativ: Sie definieren sich nicht über einen ganz bestimmten Aufbau, sondern die Möglichkeit kontextspezifisch agieren zu können. Bei einer Tagung der dgtf haben wir mit Designer*innen diskutiert, wie ein Nachbarschaftsparlament gestaltet sein könnte; in Dortmund mit Anwohner*innen, was ein Nachbarschaftsparlament in ihrer Nachbarschaft bieten müsste; und auf PACT Zollverein mit Urbanist*innen, wie man im städtischen Raum direkt verhandeln könnte. Die “dialogischen Strukturen” sind in all diesen Fällen erstens die sichtbaren, gebauten Elemente, aber zweitens eben auch die unsichtbaren, die psychologischen und performativen. Zwei Beispiele: Die Einleitung lesen die Teilnehmenden nacheinander laut vor (Lockerung der Stimme, jede*r hat schon einmal etwas gesagt). Und: die Diskussionen finden erst in Zweiergruppen und dann in der großen Runde statt (Bewegung, konzentrierter Austausch, Abwechslung reizt den Geist). Die “dialogischen Strukturen” sind sowohl theoretische Überlegung, als auch Reallabor: Sie lösen keine Probleme, sie generieren Wünsche.

Was ist neu?

In einem spekulativen Szenario nähern wir uns den genannten Fragen mit Teilnehmenden. Dabei geht es nicht darum, wie z.B. ein Nachbarschaftsparlament in den bestehenden Alltag eingebunden werden könnte – und dort nur eine zusätzliche Belastung, eine zusätzliche Aufgabe für jede*n einzelne*n darstellt –, sondern darum herauszufinden, welche gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit alle die Möglichkeit haben, an Verhandlungen teilzunehmen und für sich und andere einzustehen. Die Teilnehmenden begegnen sich auf Augenhöhe und die imaginierte Zukunft wird direkt praktiziert. Wir agieren in diesem Gestaltungsprozess nicht als allwissende Expert*innen. Die Strukturen können verändert, ergänzt oder auseinander genommen werden, sie sind site-specific.