Natürliche Ordnung

Wer ist für die Bewältigung des Haushalts zuständig? Wer kümmert sich um wen? Welche Wertschätzung bringen wir im Alltag bestimmten Handlungen und Produkten entgegen? Welche Rolle spielt Gestaltung dabei? Und was hat das alles mit Geschlecht zu tun?

Während Geschlechternormen gesellschaftlich neu verhandelt werden und antiquierte Rollenbilder an Bedeutung verlieren, reproduziert die Produktgestaltung weiterhin Stereotype. Das Projekt hinterfragt die Hierarchie der Objekte, und eine gegenderte Produktsprache. 

„Natürliche Ordnung“ hinterfragt Gender-Codes in der Gestaltung im Kontext archetypischer Haushaltsobjekte. Durch das Spiel mit geschlechterkodierter Produktsprache wird der Auftritt von Bügeleisen, Kehrbesen und Wasserkaraffe neu inszeniert. Durch einen explorativen Gestaltungsprozess sind drei kritische Designobjekte entstanden, die Gewohnheiten, Arbeits- und Rollenaufteilungen hinterfragen.

Celsius

„Celsius“ ist ein modulares Kühlsystem für die Lagerung von Lebensmitteln. Durch einen Mietservice können Benutzer*innen es langfristig oder nur vorübergehend nutzen. Celsius besteht aus verschiedenen, miteinander verbundenen Komponenten, die entweder zusammen oder an unterschiedlichen Orten aufgestellt werden können. Dank eines zentralen Kühlsystems verzichten die einzelnen Komponenten weitgehend auf eine aktive Kühltechnik und nutzen – je nach Standort – z.T. die äußere Umgebungstemperatur. 

Kühltemperatur und Luftfeuchtigkeit jeder Einheit können individuell über eine App gesteuert werden. Das energieeffiziente System ermöglicht einen vielseitigen Einsatz im privaten Umfeld, aber auch in Büros, Geschäften, Apotheken und Restaurants. Es ersetzt große, unflexible Kühlschränke und Kühltruhen, die viel Energie verbrauchen und sich nicht an die wechselnden Bedürfnisse der Benutzer*innen anpassen.

(non-) local lab

„(non-) local lab“ erforscht kreative Möglichkeiten der Aufwertung invasiver Pflanzenarten in einem partizipativen Kontext, um unsere Beziehung zu nicht-menschlichen Lebewesen zu überdenken, über sich verändernde Ökosysteme zu reflektieren und unsere Rolle innerhalb dieser Systeme zu hinterfragen.

Dazu werden die Pflanzen bewusst geerntet, statt nur entfernt – und in Materialanwendungen umgewandelt. Das durch Experimente, Recherche und Feldforschung erworbene Wissen wird in Form einer praktischen Workshop-Reihe mit japanischem Staudenknöterich (Fallopia japonica) weitergegeben. Zu diesem Zweck wurde ein modulares Möbelsystem konzipiert und gebaut, das als Infrastruktur für die öffentlichen Workshops dient. Ein kurzes Intro und drei praktische Aktivitäten (Textilfärbung, Papierherstellung, Mattenweben) geben den Teilnehmenden multisensorische Impulse, um sich über biologische Invasionen, Naturschutz, zukünftige Ressourcen, Biodiversitätsverlust, Migration und Globalisierung auszutauschen.

Toxic Legacies

Recycling als Konzept ist als nachhaltiger Ansatz zur Abfallbekämpfung inzwischen recht beliebt und wird schnell als potenzielle Lösung für die eskalierende Umweltkrise angesehen. Allerdings sind nicht alle Recyclingpraktiken – insbesondere, wenn es um Kunststoff geht – unbedingt umweltfreundlich. In vielen Fällen handelt es sich bei den Behauptungen über die Wiederverwertbarkeit lediglich um „Greenwashing“, eine Marketingstrategie, mit der sich Unternehmen als umweltbewusst positionieren, ohne ihre Produktionsverfahren tatsächlich zu verändern. 

Ziel meines Master-Projekts „Toxic Legacies“ ist es, größere Transparenz hinsichtlich bestimmter Formen von Greenwashing herzustellen. Die abschließende Produktlinie und Kampagne „re:cig“ wirbt mit Humor und auf ironische Weise für die Wiederverwendung weggeworfener Zigarettenstummel, um das Bewusstsein für die Auswirkungen zu schärfen, die das auf Verbraucher*innen und Umwelt haben kann.

reACT

Bei immersiven Theaterinszenierungen und Kunstinstallationen wird die klassische Trennung von Bühne und Zuschauerraum aufgehoben. Die Besucher*innen nehmen aktiv am Handlungsgeschehen teil und erkunden eigenständig den Bühnen- bzw. Ausstellungsraum. 

Die Realisierung interaktiver Raumerlebnisse erfordert in der Regel eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Programmierung und Elektronik. Dies kann durchaus ein Hindernis darstellen. 

Das modulare System „reACT“ ermöglicht es Kreativen ohne technische Kenntnisse, selbstständig interaktive Räume zu gestalten. reACT besteht aus verschiedenen Sensor-Modulen, die mithilfe eines simplen App-Interfaces mit bestehender Bühnenbeleuchtungstechnik verbunden werden können. Bewegungen und Positionen im Raum werden durch das System erfasst und induzieren entsprechend den in der App vorgenommenen Einstellungen Veränderungen der Raumbeleuchtung. Der Raum ist nicht mehr nur Handlungsschauplatz, sondern wird selbst zum Spielpartner.

LIFT

„LIFT“ ermöglicht es den Nutzer*innen, durch direkte Steuerung des Lichts, Räume und ihre Nutzung flexibel anzupassen. Besonders in begrenzten Raumsituationen kann Beleuchtung dabei helfen, Bereiche zu strukturieren und verschiedene Aktivitäten visuell voneinander zu trennen.

LIFT unterstützt Nutzer*innen dabei, Wohnräume durch die Lichtstimmung aktiv auf die eigenen Bedürfnisse abzustimmen. 

Durch eine vertikale „Aufziehbewegung“ wird die Leuchte aktiviert, werden Lichtstärke und Farbtemperatur gesteuert. Zunächst wird auf der Rückseite warmes atmosphärisches Licht auf die Wand abgegeben. Je weiter die Leuchte wie ein Teleskop ausgezogen wird, desto stärker wird der Anteil von kaltweißem Tageslicht, das als „skylight“ an die Decke gestrahlt wird.

Durcheinander und Ordnung

Ordnung ist das halbe Leben? Durcheinander ebenfalls! Menschliche Verhaltensmuster, insbesondere im privaten Wohnraum, bringen fast unweigerlich eine natürliche Streuung der Gegenstände des täglichen Gebrauchs mit sich. Krimskrams und Bedarfsgüter werden an beliebigen Plätzen unvorhergesehen abgelegt, fallen gelassen oder vergessen. Das dabei entstehende Durcheinander fügt sich oftmals schwer in eine bereits gestaltete Umgebung ein. Lässt sich das alltägliche Durcheinander gestalterisch nutzen? 

Als eine Antwort auf diese Fragestellung wurden zwei Entwurfskonzepte entwickelt. Die Leuchte „Kara“ unterstützt das beiläufige Präsentieren und macht dasDurcheinander sichtbar. Sie besteht aus zwei Kunststoff-Objekten, die im Rotationsguss gefertigt werden. Ein Regal ist ein Möbel der Schnittstellen. Verschiedene Interaktionsräume treffen dort aufeinander und begünstigen die Entstehung von Durcheinander. Das Regal „Vito“ wirkt dieser Tatsache mittels einer klaren Hierarchie im Ablagesystem entgegen.

BEYOND

„Beyond“ ist ein gemeinsam genutztes, autonomes Fahrzeugkonzept für das sichere Reisen in der Zukunft nach COVID-19. Es wurde auf der Basis designspezifischer Aspekte durch das genaue Beobachten von Veränderungen in den Emotionen und im Reiseverhalten der Menschen nach der Pandemie entwickelt. Es definiert Sicherheit in dreierlei Hinsicht: Hygiene, kontaktloses Reisen und Entspannung.

Am Beginn ihrer Reise erhalten die Reisenden ein Hygiene-Travel-Kit. Bei Gebrauch wird der Hygienemodus aktiviert und ein kontaktloser Abholservice von zu Hause bis zum Zielort angeboten. Dabei besteht keinerlei Kontakt zu fremden Personen. Bequeme Sitze und natürliches Licht sorgen für Komfort beim Einsteigen. Um das Gepäck verstauen zu können, stehen effiziente Aufbewahrungsfächer bereit. Bei der Ankunft wird, je nach Höhe der aktuellen Infektionen am Zielort, mittels Lichtsignalen eine Warnmeldung angezeigt.

C.O.W. – Circular Organic Waste

„C.O.W.“ ist eine autarke Kochstation für lokale Gemeinschaften. Wie im Magen einer Kuh werden in einem Fermenter durch die bakterielle Zersetzung von Zellulose Biogas und Biodünger CO₂-neutral bereitgestellt. Das Open-Source-System ist kreislauffähig und fördert – neben gemeinschaftlichen Aktivitäten – das Bewusstsein für Energieverbrauch und Biomüll als nutzbare Ressourcen. Das produzierte Brenngas wird in einem Reservoir sichtbar gespeichert und dient als Brennstoff für die Zubereitung von Lebensmitteln. Der dabei anfallende Bioabfall kann dem Prozess anschließend wieder als Energiequelle zugeführt werden.

mono

Das physische Musikalbum mit Tonträger, Booklet und Verpackung in eigenständigem Corporate-Design war über Jahrzehnte ein zentrales Produkt auf dem Musikmarkt und ein Standardcontainer für Musikveröffentlichungen. Die Rezeption von Alben basierte nicht allein auf der Wiedergabe der Musikstücke, sondern auf einem ganzheitlichen und visuell ausgearbeiteten Produkt, das verschiedene Ebenen künstlerischen Ausdrucks bot. Heute besitzen Rezipienten kaum noch Abspielgeräte für physische Musikmedien. Wenn überhaupt, werden diese oft als Fanartikel verkauft und ihrem ursprünglichen Verwendungszweck nie zugeführt. Ein neu entwickeltes – digitales oder physisches – Produkt wäre hier, auch aus ökologischer Sicht, eine sinnvolle Entwicklung.

Das Device-Konzept „mono“ soll es Musikhörer*innen und -fans ermöglichen, Musik wieder ganzheitlich und auf einer haptischen Ebene zu erleben. Gleichzeitig wird die im Verschwinden begriffene Kultur des Musikauflegens in eine zukunftsfähige Form gebracht.

http://henningoskamp.de/mono/ 

pw: pesto