PAMPIG

Juan Garcia

Oktober / October - 2019

Universität der Künste Berlin

Master of Arts

Kurzbeschreibung

PAMPIG ist eine Reihe von Lichtobjekten, die von der Ästhetik der Straße in Berlin Neukölln inspiriert wurden. Die Art und Weise, wie die Objekte auf der Straße angeordnet sind, inspirierte mich zu einem Konzept, dass ich das “Museum der Straße” nenne. Mit dieser Idee schaffe ich Objekte aus einer Mischung aus zerkleinertem Karton, sowie Spanplatten, welche häufig der Hauptbestandteil der “weggeworfenen” Möbel in den Straßen Neuköllns sind.

Was ist das Thema?

Müll ist ein Konzept, das sich kontinuierlich verändert. Es ist eine soziale Konstruktion, die von kulturellen und individuellen Faktoren geprägt wird. Müll ist stark abhängig von den Eigenschaften der Objekte und ihrer Verortung im Raum, aber oft komplett unabhängig von der Funktionalität des Objekts. Um konkrete Beispiele zu finden, die diese Aussage stützen, bedarf es keiner langen Suche: Es reicht schon auf den Straßen von Berlin-Neukölln umherzulaufen, denn dort befinden sich viele Objekte, die zwar noch funktionieren, aber bereits aussortiert neben einem Baum liegen. Meistens findet man daneben ein nettes Schild oder die Gegenstände wurden entsprechend inszeniert, so als ob die Straße ein Museum wäre. Neben dem Müllkonzept existiert ein weiteres Konzept, bei dem es primär um Produkte geht, die nicht mehr gebraucht werden: Recycling. Die Idee, die Recycling vermittelt, soll uns glaubhaft machen, dass alles in Ordnung ist, wenn wir die Produkte schnell entsorgen, denn dank Recycling könne man ja vieles einfach wiederverwerten. Aber das ist eine Illusion. Jedes Mal, wenn wir Kunststoff trennen, werden immer noch Tonnen dieser Materialien nicht wiederverwertet, sondern in Länder wie China geschickt, nur um sie dort einzulagern. Nicht mehr voll funktionsfähig Elektrogeräte werden oft in afrikanische Länder geschickt, um sie dort weiter zu verwenden. Recycling als solches ist auch eine Industrie, die Rohstoffe braucht. Diese sind dann extrem günstig oder teilweise sogar kostenlos erhältlich. Als ich in Deutschland angekommen bin, habe ich gemerkt, dass die Dynamik, wie mit dem Müll umgegangen wird, anders ist als in Kolumbien. Es gibt mehr Objekte, die hier wie Müll behandelt werden, obwohl es in Deutschland ein gut strukturiertes Müllentsorgungssystem mit Mülltrennung, Recyclinghöfen, Wiederverwendung des Materials und Müllverbrennung gibt. Es ist möglich Objekte auf der Straße zu finden, die noch funktionieren und die nicht kaputt sind. Das liegt daran, dass das Müllkonzept in Deutschland recht weit gefasst ist. Müll kann alles sein. Das Interessante an den Objekten auf der Straße ist, dass sie unterschiedliche Werte haben. Es gibt Objekte, die sich immer noch in einem guten Zustand befinden, die offensichtlich wertvoll sind, was bedeutet, dass sie sehr schnell einen neuen Nutzer finden können. Es entsteht eine Dynamik, da viele Leute die Gegenstände, die sie nicht mehr brauchen auf der Straße lassen, um sie zu verschenken. Durch die Art der Inszenierung entfalten die Objekte eine besondere ästhetische Wirkung und man kann so ganz klar erkennen, dass diese kein Müll sind. Es wird deutlich: Was Müll ist, Müll wird oder Müll bleibt ist ambivalent, stark kontextabhängig und variabel. Ich glaube, dass die Objekte auf der Straße künstlerische Seele gewinnen und der fehlende Kontextbezug der Objekte an eine Art „Readymate“ erinnert. Für mich ist die Straße ein Museum, weil es eine klar sichtbare Baukunst gibt. Jeder Baum ist ein Podest, ein Ort, der benutzt wird, um die Objekte auszustellen. Für die Leute ist dieser Ort ein abgegrenzter Bereich, in dem die Gegenstände ausgestellt werden, damit andere Leute, die daran vorbeilaufen, gucken können und entscheiden können, ob sie die Sachen mögen und mitnehmen möchten. Das ist der Ort wo diese Objekte, die ihren eigentlichen Funktionswert verloren haben, einen neuen Wert bekommen können. Für mich ist es ein Schauplatz, wo alles möglich ist, ein Spielraum der mein Projekt inspiriert hat.

Warum sieht es so aus?

Durch Regen und Sonne werden die Gegenstände auf der Straße im Laufe der Zeit verändert. Die Objekte nehmen eine neue Formen an, verändern die Textur und ihre Farbe. Sie verbiegen sich seltsam oder verformen sich. Sie liegen auf der Straße und es ist nicht klar, was sie früher für ein Möbelstück waren. Außerdem befinden sich auch viele übriggebliebene Bauteile dieser Möbelstücke auf der Straße, die man sonst eigentlich nur beim Aufbau der Möbel sieht. Denn das sind Teile, die oftmals nicht so schön sind, aber dennoch eine sehr wichtige Rolle für die Stabilität der Möbel spielen und nach dem Aufbau nicht mehr sichtbar sind. Sobald sie jedoch auf der Straße landen, werden sie zu "ehrlichen Objekten", weil sie jetzt endlich wieder ihre wirklichen Eigenschaften zeigen können. Ich verstehe diese Gegenstände also nicht mehr nur als Objekte, sondern auch als Rohstoffe oder Materialien. Durch diesen Beobachtungsprozess bin ich auf die Idee gekommen, dass diese Materialien sehr interessante Eigenschaften besitzen und sie auch einen großen Teil "des Museums der Straße“ ausmachen. Sie bilden eine große Gruppe von unterschiedlichen Rohstoffen mit verschiedenen Oberflächen, Texturen, Farben, etc. Ich habe mich dazu entschieden mit zwei dieser „Materialien ohne Funktion“ weiterzuarbeiten. Diese sind Spanplatten und Karton, weil sie meiner Meinung nach die Dynamik des Konsumverhaltens der Menschen und die eines typischen Produktkreislaufs sehr gut widerspiegeln. Die Industrie stellt viele Möbel aus Spanplatten her, weil das Material sehr günstig ist und man zum Beispiel mit Melamin verschiedene Oberflächen miteinander verbinden kann. Die fertigten Produkte können am Ende wie Marmor, gutes Holz oder Metall aussehen, aber der Spanplattenkern ist immer noch da. Das Material versteckt so seine natürlichen Fähigkeiten und sein eigentliches Aussehen, weil es nicht so beliebt ist und billig aussieht. Doch dabei „lügt“ das Material die ganze Zeit: Zwar könnte der Nutzer denken, dass das Objekt länger halten wird oder ein gutes Material ist, aber am Ende ist der Nutzer oft enttäuscht, wenn er merkt, dass dem nicht so ist. Dann landet dieses Spanplattenmöbelstück auf der Straße. Ab diesem Moment bekommt das Objekt andere Fähigkeiten, der Lack splittert ab, es gewinnt an Ehrlichkeit. Das zweite Material ist Karton. In Deutschland wird ein sehr großer Anteil an Waren online bestellt, was bedeutet, dass tausende Kartonboxen auf der Straße landen. Diese werden in großen Mengen hergestellt, kurz benutzt und schnell wieder weggeworfen und haben daher eine sehr kurze Lebensdauer. Meine Idee war nun ihre eigenen Eigenschaften und Fähigkeiten hervorzuheben. Ich wollte andere Herstellungsverfahren anwenden als das normalerweise in der Industriebranche üblich ist, damit die Objekte am Ende andere Fähigkeiten haben als vorher. Die Idee dabei war alles zu zerkleinern, um eine homogene Masse zu bekomme. Am Anfang wollte ich die Härte des Materials testen: Deshalb habe ich Wasser, Karton und Spanplatten miteinander vermischt und gewartet bis das Ganze wieder trocken war.

Was ist das Besondere?

Das Besondere an dem Projekt ist das Konzept. Ich versuche über das meine Arbeit verwendete Material zu zeigen, wie schnell sich der Begriff des Objektes als Gebrauchsgegenstand oder Abfall ändern kann. Je nachdem wo es sich befindet und in welchem Kontext, wandelt sich die Funktion des Objektes.

Was ist neu?

Das Konzept der Straße als ein Museum voller wertvoller Gegenstände, die ihren Wert verändert und in gewisser Weise verloren haben, selbst wenn sie noch funktionieren.