Estintore – Product Placement

Clemens Lauer

April / April - 2019

Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe

Kurzbeschreibung

Estintore ist eine Design-Intervention. In Möbel-Discountern gekaufte Produkte werden modifiziert und original verpackt im Markt zurückgegeben. Jedes Estintore-Objekt ist mit einem Brief versehen, so haben die neuen Besitzer die Möglichkeit, sich bei mir zu melden. Das Marktsystem wird untergraben und genutzt – eine besondere Möbelserie entsteht.

Was ist das Thema?

Das Projekt beinhaltet eine Vielzahl von Themen. Es hat einen sozialen Aspekt, insofern es versucht, Menschen Zugang zu Design zu verschaffen: In den niedrigpreisigen Märkten, in denen die Aktion hauptsächlich stattfindet, kaufen die Leute oft eher ein, um einen Mangel zu beseitigen als sich mit Dingen zu umgeben, die sie mögen. Ebenso ist es eine Kritik an den ökonomischen Mechanismen des Marktes. Sie werden umwunden und auf humorvolle Weise auf den Kopf gestellt. Eine Methode, die mir als Designer eine Fülle an gestalterischer Freiheit gibt. In seinem Idealismus versteht sich das Projekt als eine konstruktive Design-Utopie.

Warum sieht es so aus?

Bei Estintore handelt es sich um eine Reihe von Produkten unterschiedlichen gestalterischen Gesichtspunkten folgt, je nach "Ausgangslage" bzw. wie die Ausgangsartikel vorgefunden werden. Es befindet sich darunter beispielsweise der Kleiderständer: Die Original-Garderobe ist die billigste, die man kaufen kann. Der Fuß, aus dünnem Stahlrohr, wird mit einer Schraube befestigt. Er ist also von Natur aus wackelig. Um diesen vermeintliche Schwäche zum Prinzip zu machen, habe ich die Garderobe mit einem Schaukelständer versehen. Er fällt nicht um und gewinnt an Identität. Je nachdem, wo und was man dranhängt, ist das Objekt immer in Aktion: Es entsteht ein emotionaler Zugang zum Produkt.

Was ist das Besondere?

Es ist die Geschichte dahinter: Eine reale Aktion, die gerade im Moment genau so stattfindet und kein bloßes Gedankenspiel. Jemand kauft ein Möbelstück und bekommt etwas anderes, als er dachte. Nach der ersten Verwirrung beim Auspacken zuhause sind verschiedene Szenarien denkbar: Der neue Besitzer mag das Objekt sofort, es erfüllt seinen Zweck; geht vielleicht sogar darüber hinaus. Er oder sie kann via Mail oder Website eine Rückmeldung dazu geben. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Käufer nicht mit seinem Spezial-Design einverstanden ist. Er findet die Telefonnummer, die auf dem Beizettel steht und kann zur Beschwerde anrufen. Es gibt dann die Möglichkeit vor Ort das modifizierte mit dem originalen Teil auszutauschen, und dabei bestenfalls ein Gespräch über die Gestaltung des Objektes zu führen. Es geht um die Interaktion und die Wahrnehmungsverschiebung, die der Benutzer und der Designer während des Prozesses erfahren. Dieses Design-Prinzip ist ein fortlaufendes Projekt.

Was ist neu?

Neu an dem Projekt ist die Vertriebsmethode. Das normale Leben eines Produkts beginnt im Kopf eines Designers, geht weiter zum Produzenten, wird angepasst, geht zurück zum Designer, zurück zum Produzenten und findet erst nach einer Vielzahl ökonomischer Angleichungen seinen Weg in den Markt. Manchmal erkennt der Gestalter danach sein Produkt kaum wieder. Mit meiner Methode kann ich abseits dieser Mechanismen, aber auch mit dem Feedback des Benutzers, der Benutzerin gestalten. Neben der Vertriebsmethode, als Neuheit an sich, kann also eine vorher so nicht da gewesene Nutzer-Gestalter-Beziehung entstehen. Ein utopisches Designprinzip sozusagen, mit der Chance herkömmliche Gestaltungsmethoden zu erweitern.