The Critical Loo
Kurzbeschreibung
Rauminstallation/ Critical Design Concept: #Poopie
Bei der Rauminstallation #Poopie handelt es sich um eine Photo Booth, die in der Lage ist die Gesichter von Menschen im Moment ihres Stuhlgangs zu fotografieren – Ein Critical Design Concept im Rahmen meiner Bachelor Thesis.
”Ein Poopie ist wie das Foto auf der Achterbahn, nur viel intensiver.“
Es ist an der Zeit, dass wir Menschen aufhören uns für unsere Scheiße zu schämen und endlich stolz auf unsere Verdauung sind! #proud2poop
Nur noch ein bisschen pressen, dann ist er da, der Gipfel, die Erlösung – jetzt bitte recht freundlich! Platsch. Knips! Fertig ist dein ganz persönliches Poopie.
Diese Toilette fotografiert dein Gesicht genau in dem Moment, in dem der Kot die Wasseroberfläche durchbricht. Ein Sensor löst punktgenau eine Kamera aus.
Das Bild wird automatisch mit der Botschaft “#Poopie – Proud to poop!” versehen und gedruckt. Jetzt schnell noch den Hintern abgewischt und die Hose angezogen,
denn schon in Kürze steht dein persönlicher #proud2poop-Moment, für dich zum Mitnehmen, bereit. Teile dein Poopie mit der Welt und werde Teil der Bewegung!
Was ist das Thema?
Wir alle werden geboren und müssen, so viel ist sicher, irgendwann einmal sterben. Sogar in der Zwischenzeit wird unser Leben, ob wir wollen oder nicht, von einer Vielzahl natürlicher Rhythmen und Kreisläufe diktiert – vom Aufwachen am Morgen bis zum Einschlafen am Abend. Wir essen, wir trinken und schließlich überkommt uns das dringende Bedürfnis, all die Dinge, die unser Körper nicht verwerten konnte, wieder loszuwerden. Der Gang auf die Toilette ist unser täglicher Begleiter, doch über das, was und wie wir es dort tun, bewahren wir in aller Regel Stillschweigen. Das stille Örtchen schafft es, die Gesellschaft im kleinsten gemeinsamen Nenner zu einen und zugleich in vielerlei Hinsicht zu spalten. Die Toilette polarisiert und täglich bewegt man sich an diesem Ort im Spannungsfeld sozialer Regeln und Normen. Hier kollidieren evidenzbasierte Fakten mit postindustriellen Sozialkonstrukten von Natürlichkeit, Sauberkeit und Reinheit. Während die Wirtschaft in diesem Bereich Schamgefühle und Ängste längst als profitable Cashcow erschlossen hat, gewinnt in Teilen der Bevölkerung die Diskussion über soziale Ungleichheit, etwa zwischen den Geschlechtern, immer mehr an Fahrt. Das Verhalten auf der Toilette wird zum Brennglas sozialer Phänomene und erlaubt direkte Rückschlüsse auf die Funktionalität der Gesellschaft. Wer denkt, hier ginge es nur um das Verschwindenlassen übelriechender Stoffwechsel-Endprodukte, verkennt dabei die Vielschichtigkeit dieses Themas. Insbesondere frei zugängliche Toiletten erfahren in unserem Kulturkreis oft heftigste Stigmatisierung. In weiten Teilen der Gesellschaft sind sie umstrittene Orte, geradezu No-Go-Areas, die vielfach nur dann aufgesucht werden, wenn es keine Alternative mehr gibt. Zahlreich sind die Mechanismen von Angst, Ekel und Scham, die dabei eine Rolle spielen und dafür sorgen, dass der Gang zur Toilette für manche zum Spießrutenlauf wird. Wirtschaftlich wird mit Gestaltung reagiert, die diese Formen, oft irrationalen Unbehagens, symptomatisch behandeln. Ursächlich ändert dies nichts daran, dass sich zahlreiche Menschen etwa ihrer Ausscheidungen und Körpergeräusche schämen. Im Gegenteil: So ist davon auszugehen, dass sich Schamschwellen in Zukunft noch weiter verschieben werden. Man könnte meinen, wir befänden uns inmitten eines Trends der Entkörperlichung, einer Abkehr von unserer Natur. "The Critical Loo" untersucht auf designtheoretischer Ebene öffentliche Toiletten als Ort und Gegenstand der Kommunikation und Missverständnisse. Ich setzte mich im Zuge dieses Projekts mit den Bedürfnissen, Problemen und Ängsten der Toiletten-Nutzer*innen auseinander und stelle die Frage nach der Rolle von Gestaltung in diesem Kontext. Was kann Design auf der Toilette leisten, wenn es darum geht, mit Scham und Ängsten umzugehen? Wie gehen wir als Designer*innen mit einem Thema um, das voller Redeverbote und Tabus steckt? Und zu guter Letzt: Welchen Beitrag können Designer*innen leisten, um das beschriebene Thema losgelöst von seiner Tabuisierung in einen Diskurs zu überführen und den Status quo herauszufordern? Die Installation "#Poopie" ist ein konzeptioneller Prototyp, eines von vier Critical Design Objects, die auf Basis sozial- und designtheoretischer Analyse sowie nutzer*innen-orientierter Feldforschung, im Rahmen meiner Bachelor-Thesis entstanden sind. Diese Objekte sind dabei nicht nur als eine Form der kritisch kommentarhaften Quintessenz, der Auseinandersetzung mit Scham und Ängsten auf öffentlichen Toiletten, zu betrachten, sondern sollen auch anderen Gestalter*innen als Anregung dienen, wie sie sich aufgrund der beschriebenen Daten und Faktenlage mit dem Thema kritisch auseinandersetzen können.
Warum sieht es so aus?
In seiner äußeren Form ist der Prototyp von #Poopie eher funktional und zurückhaltend, als richtungsweisend und innovativ. Er stellt in seiner Gestaltung eine Brücke zwischen dem stark theoretisch-konzeptionellen Charakter der Arbeit und ihrer designaffinen Zielgruppe her. Der Entwurf will auf kritische Art und Weise einen Diskurs anstoßen und dabei präsent sein, aber nicht dominieren. Durch seinen skizzenhaften allgemeinen Charakter sollen Vorwegnahmen ausgeschlossen werden und beim Betrachter Raum für eigene Ideen geschaffen werden. Er bedient sich dabei in seiner Formsprache am gängigen Klischee eines klassischen Fotoautomaten.
Was ist das Besondere?
Das Besondere am Projekt ist die Verbindung aus Sozial- und Designtheorie sowie nutzerzentrierter Forschung.
Was ist neu?
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