BRB

Saskia Drebes

Juli / July - 2018

Kunsthochschule Kassel

Kurzbeschreibung

Der Versuch einer sensorischen Erfahrung des Datenkörpers. Der Datenkörper beschreibt die Gesamtheit aller digitalen Informationen einer Person. Während wir unseren physischen Körper spüren können und somit auch Ein- und Angriffe, können wir Berührungen an unseren persönlichen Daten nicht wahrnehmen. Über die Schnittstelle des physischen Körpers werden Datenströme, als Vibrationen, spürbar.

Was ist das Thema?

Im Kontext der Digitalisierung verändert sich persönliche Autonomie zunehmend. Während früher eine klare Unterscheidung zwischen Innen|Außen, unsichtbar|sichtbar, privat|öffentlich, offline|online möglich war, verschwimmen die Grenzen heute zunehmend. Immer mehr Technik und Technologie greifen in die intimsten Sphären unseres Lebens ein. Damit einhergehend etabliert sich eine Kultur unbegrenzter Veröffentlichung und leichtfertig wird alles preisgegeben, was zu likes, und Aufmerksamkeit führt. Diese Kultur erzeugt enorme Macht- und Druckmittel gegenüber der Datenerzeuger*innen. Die These: Würden wir unseren Datenkörper - also unsere Daten - ebenso spüren, wie unseren physischen Körper, würden wir weniger leichtfertig mit ihnen umgehen.

Warum sieht es so aus?

Das Experiment lebt von Beteiligung diverser Proband*innen und ihrer Meinung. Während der aktuelle Diskurs durch einen negativ Charakter geprägt ist, versucht BRB einen Gegenentwurf. Die affirmative Erscheinung des Lutschers lädt zu einem Selbstversuch ein und bedient dabei die physische Schnittstelle des Mundraums. Der Mund wurde bisher nie als Interface genutzt, sodass auch der Lutscher produktsemantisch unbelastet ist. Proband*innen führen das Objekt in den Körper ein, vollführen also einen höchst intimen Akt, ohne den Anflug von Anstößigkeit oder Frivolität. Die Ästhetik ist technoid, gleichzeitig ist das Objekt eindeutig als Lutscher erkennbar und seine Anwendung allen Anwender*innen klar.

Was ist das Besondere?

Der Lutscher wurde für Ausstellungssituationen gestaltet, in denen Besucher*innen, in einer partizipativen Performance, einen Lutscher mit ihrem persönlichen Datenprofil erhalten. Menschen wagen den Selbstversuch und beschäftigen sich freiwillig mit dem unliebsamen Thema Datenschutz. Wo üblicherweise wenig Bereitschaft für die Auseinandersetzung mit diesen Themen besteht, begehren Proband*innen des ungewöhnlichen und anziehenden Objekts und wollen Teil des Experiments werden. Anhand von Basisdaten (Name, Adresse, Geburtstag, Geburtsort, Mobiltelefonnummer) wird ein Datenprofil erstellt und auf die Hardware des Lutschers geladen. Proband*innen können in der Folge Bewegungen, Berührungen und Aktivitäten ihrer Daten, in Form von Vibrationen spüren. Personen, die im digitalen Raum mit vielen Daten vertreten sind, werden entsprechend eine starke Aktivität durch den Lutscher spüren. Das Projekt versucht, durch Irritation und Betroffenheit, einen Erkenntnisgewinn bei den Proband*innen zu ermöglichen und spürbar zu machen, was sonst abstrakt ist: Daten. Im Rahmen der Ausstellung EXAMEN 2018 (Kassel) haben 400 Personen an dem Selbstversuch teilgenommen.

Was ist neu?

Daten werden in Vibrationen übersetzt. Die ansonsten abstrakten Strukturen von Datenerhebung, Datenspeicherung und Datenweitergabe können nun vermittelt werden und ein breitangelegter Diskurs über Datenschutz wird möglich. Gegenüber anderen Reizen, wie visuellen, auditiven oder olfaktorischen, sind Vibrationsreize von nahezu allen Menschen spürbar. Wird das Thema Datenschutz üblicher Weise in Kontext von »Datenklau«, »Datenraub« oder von »Hackerangriffen« geführt, versucht BRB einen spielerischen Zugang, abseits von Polemik und Panikmache.